Vorhaltefinanzierung sollte Anreize zur Konzentration von Krankenhausleistungen setzen

Drei Fragen an Dr. Jürgen Malzahn, Leiter der Abteilung Stationäre Versorgung und Rehabilitation im AOK-Bundesverband

Foto: Dr. Jürgen Malzahn, Leiter der Abteilung Stationäre Versorgung und Rehabilitation

Dr. Jürgen Malzahn

23.05.23 (ams). Bund und Länder nähern sich in der Debatte um die Klinikreform offenbar an. In einem jüngst bekannt gewordenen Eckpunkte-Papier macht der Bund einen Schritt auf die Länder zu. Demnach soll der 2016 eingerichtete Krankenhausstrukturfonds verlängert werden, um „strukturverbessernde Maßnahmen, die sich aus der Umsetzung dieser Krankenhausreform ergeben“, zu finanzieren. Auch bei der angestrebten Einteilung der Kliniken in Versorgungsstufen oder Level signalisiert das Bundesgesundheitsministerium (BMG) Entgegenkommen. Der AOK-Bundesverband spricht hinsichtlich der Eckpunkte von einer guten Basis, sieht allerdings die Pläne zur Abwicklung der Vorhaltefinanzierung kritisch.

Herr Dr. Malzahn, Sie fordern, dass sich die geplanten Vorhaltepauschalen und die Versorgungsaufträge für die Kliniken an der zu versorgenden Bevölkerung orientieren sollen. Was heißt das konkret und warum ist das aus Sicht der AOK wichtig?

Malzahn: Vorhaltepauschalen und Versorgungsaufträge dürfen nicht inflationär vergeben werden. Stattdessen muss ein Anreiz zur Mengendämpfung und zum Ausschluss der sogenannten Gelegenheitsversorgung entstehen. Nur durch die Koppelung des Vorhaltebudgets an den Bedarf der Bevölkerung entsteht der Anreiz, dass Leistungsgruppen zwischen den Krankenhäusern getauscht werden. Die Konzentration von Krankenhaus-Leistungen ist nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern führt auch zu einer besseren Behandlungsqualität und damit zu mehr Patientensicherheit. Das ist zum Beispiel für die onkologische und für die endoprothetische Versorgung solide durch Studien belegt.

Wie sollte die Auszahlung der Vorhaltevergütung Ihrer Meinung nach in der Praxis organisiert werden? Gehen die jüngst bekannt gewordenen Eckpunkte bei diesem Thema in die richtige Richtung?

Malzahn: Die Einführung der Vorhaltevergütung ist als dritte Säule der Krankenhausvergütung neben den rDRGs und dem Pflegebudget zu verstehen. Für diesen Teil der Krankenhausausgaben, die der Daseinsvorsorge dienen, kann die Inanspruchnahme keine Rolle spielen. Daher sollte keine Koppelung an den Fall erfolgen. So lassen sich auch Probleme vermeiden, die sich bei der Umsetzung des Pflegebudgets gezeigt haben. Die Budgetverhandlungen vor Ort dürfen nicht weiter verkompliziert werden. Die Auszahlung der Vorhaltepauschalen sollte stattdessen möglichst konfliktfrei und unbürokratisch durch eine neutrale Stelle erfolgen. Diese hat quasi die Funktion einer Sparkasse, die lediglich den Finanztransfer abwickelt. Die Höhe des Vorhaltebudgets ergibt sich direkt aus dem Versorgungsauftrag, der durch die Länder bestimmt wird. Zur Begrenzung des bürokratischen Zusatzaufwands können bereits etablierte Zahlungswege wie die Auszahlungsstellen genutzt werden. Denkbar ist die direkte Auszahlung der Gelder durch die Länder analog zu den pauschalierten Energiehilfen für die Kliniken, die Auszahlung durch die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde oder an eine von dieser Landesbehörde benannte Krankenkasse analog zu den verbrauchsabhängigen Energiehilfen. Auch die Abwicklung durch den GKV-Spitzenverband wie bei der Coronaprämie für Pflegepersonal ist eine Möglichkeit – oder die Beauftragung einer anderen, im Bund oder in den Ländern verankerten Auszahlungsstelle, die das Landesvorhaltebudget verwaltet.

Welche Probleme sehen Sie bei der Koppelung der Auszahlung der Vorhaltevergütung an den Fall?

Malzahn: Bei einer Auszahlung der Vorhaltevergütung am Fall gibt es problematische Liquiditätseffekte für die Kliniken aufgrund saisonaler Auslastungsschwankungen. Besonders in Krisensituationen ist dies ein Problem, weil die Vorhaltekosten in den Kliniken weiterlaufen, die Leistungen aber ausbleiben. Somit werden die Kosten nicht gedeckt und die Solvenz der Kliniken gefährdet. Probleme entstehen auch durch das Auseinanderfallen der Ausgliederungsbeträge auf der Bundes- und der Ortsebene mit der Folge entsprechender Bereinigungsdebatten sowie durch die massive Komplexitätssteigerung und Verschärfung des Budgetstaus vor Ort.