Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG)

Das "Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung“ hat alle parlamentarischen Hürden genommen. Es ist das bisher umfänglichste Projekt des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn. Kernziele des TSVG sind eine schnellere Terminvergabe für gesetzlich Versicherte und die Verbesserung der Versorgung in ländlich geprägten Regionen. Für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) kalkuliert der GKV-Spitzenverband die Mehrausgaben allein für die vertragsärztliche Versorgung auf etwa 1,2 Milliarden Euro. Dazu kommen 570 Millionen Euro für die neuen Regelungen beim Zahnersatz. Bereits vor der ersten Lesung im Bundestag am 13. Dezember 2018 ist der Gesetzentwurf gegenüber Referenten- und Kabinettsentwurf um zahlreiche weitere Inhalte ergänzt worden. Im Laufe des Gesetzgebungsprozesses haben über 50 fachfremde Änderungs- und Ergänzungsanträge Eingang in die Beratungen gefunden.

Beratungsfolge

  • Referentenentwurf BMG: 24. Juli 2018
  • Fachanhörung: 22. August 2018
  • Verabschiedung Kabinettsentwurf: 25. September 2018
  • 1. Durchgang Bundesrat: 23. November 2018
  • 1. Lesung Bundestag: 13. Dezember 2018
  • Anhörung im Bundestag: 16. Januar und 13. Februar 2019
  • 2./3. Lesung Bundestag: 14./15. März 2019
  • 2. Durchgang Bundesrat: 12. April 2019
  • In Kraft getreten: 11. Mai 2019

Dazu zählen insbesondere Vorschläge zur bundesweit einheitlichen Vergütung, vereinfachter Praxiszulassung und mehr Therapieverantwortung von Heilmittelerbringern. Im Hilfsmittelbereich will die Bundesregierung die Möglichkeit zur Ausschreibung von Versorgungsverträgen durch einzelne Krankenkassen abschaffen. Ende Januar hatten CDU/CSU und SPD einen Änderungsantrag zum TSVG eingebrachtet. Er sieht vor, dass das Bundesgesundheitsministerium 51 Prozent der Gesellschafteranteile bei der Gesellschaft für die Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik) übernimmt. Das Ministerium kann somit künftig Mehheitsentscheidungen ohne die anderen Anteilseigner treffen. Bislang sind die Spitzenverbände der Krankenkassen, Ärzte, Apotheker und Krankenhäuser Träger der gematik. Der GKV-Spitzenverband hält 50 Prozent der Anteile und finanziert die Arbeit der gematik aus Beitragsgeldern der gesetzlich Krankenversicherten.

Die Bundesländer erhalten mehr Einfluss auf die Arbeit im Gemeinsamen Bundesausschuss. Sie erhalten dort den gleichen beratenden Status wie die Patientenvertreter. Die Regeln, nach denen Vorstände der Kassen­ärzte ihre Einkommen berechnen und veröffentlichen müssen, werden verschärft. Zudem wird die Selbsthilfe-­Förderung durch die Krankenkassen zentralisiert. Ab 2020 sollen Selbsthilfegruppen und ihre Organisationen zu 70 Prozent von den Kassen pauschal finanziell und zu 30 Prozent kassenindividuell unterstützt werden. Das zunächst geplante 15. SGB-V-Änderungsgesetz ist inzwischen ebenfalls als Änderungsantrag das Gesetzgebungsverfahren zum TSVG eingegangen.Ausstattung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) mit einer kontaktlosen Schnittstelle.

Grundsätzlich sieht das TSVG vor, die Aufgaben der Terminservicestellen (TSS) der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) zu erweitern. Bisher sollen die Stellen bei Vorliegen einer Überweisung einen Termin beim Facharzt vermitteln. Künftig sind sie auch zur Vermittlung von Terminen bei Haus- und Kinderärzten verpflichtet und sollen bei der Suche nach einem dauerhaft behandelnden Haus-, Kinder- und Jugendarzt helfen. Die Wartezeit bis zu diesem Termin darf weiterhin in der Regel nicht länger als vier Wochen betragen und die Vermittlung des Termins nicht länger als eine Woche dauern. Akute Notfälle werden während der üblichen Sprechstundenzeiten unmittelbar an eine Arztpraxis oder bei Bedarf an eine Notfallambulanz vermittelt. Bei lebensbedrohlichem Notfall wird die Notrufzentrale unter der Nummer 112 eingeschaltet. Die TSS werden darüber hinaus mit der bundesweit einheitlichen Notdienstnummer 116117 zusammengelegt. Die Nummer ist dann auch rund um die Uhr erreichbar und in ein künftiges System gemeinsamer Notfallleitstellen integrierbar. Ebenso wird ein Online-Angebot etabliert, über das Termine nicht nur telefonisch, sondern auch online oder per App mit dem Smartphone vereinbart werden können. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) regelt durch eine Richtlinie die einheitliche Umsetzung durch die KVen. Das gilt auch für die Zertifizierung der notwendigen Praxissoftware. Eingeführt wurden die TSS mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz von 2015.

Niedergelassene Vertragsärzte werden verpflichtet, mehr Sprechstunden anzubieten. Statt bisher 20 Stunden pro Woche müssen künftig mindestens 25 Stunden pro Woche für Kassenpatienten frei gehalten werden. Facharztgruppen der unmittelbaren und wohnortnahen Versorgung wie konservativ tätige Augenärzte, Frauenärzte, Orthopäden und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte müssen mindestens fünf Stunden als offene Sprechstunde, das heißt ohne vorherige Terminvereinbarung anbieten. Hausbesuche werden auf die erweiterten Sprechzeiten angerechnet. Einzelheiten sollen „zeitnah“ durch die Bundesmantelvertragspartner vereinbart werden. Die KVen werden zur Überwachung der Einhaltung der Mindestsprechstunden verpflichtet. Sie sollen einheitliche Prüfkriterien festlegen und müssen den Aufsichtsbehörden sowie Landes- und Zulassungsausschüssen jährliche Ergebnisberichte vorlegen.

Für diese Leistungen sieht der Gesetzentwurf eine extrabudgetäre, teilweise höhere Vergütung vor. Das gilt für die erfolgreiche Vermittlung eines „dringlich notwendigen Behandlungstermins“ durch den Hausarzt zum Facharzt genauso wie für ärztliche Leistungen, die von der Terminservicestelle einer KV vermittelt werden. Ebenso angehoben und außerhalb des vereinbarten Budgets vergütet wird die Versicherten- und Grundpauschale bei der Behandlung neuer Patientinnen und Patienten sowie für ärztliche Leistungen während der offenen Sprechstunde. Für die Behandlung von Akut- und Notfällen während der Sprechzeiten sieht der Entwurf ebenfalls mehr Honorar vor. Der einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) für technische Leistungen zur Förderung der „sprechenden Medizin“ wird überprüft und aktualisiert, Hausbesuche auf dem Land werden speziell gefördert. War es bisher so, dass in Gebieten, in denen ärztliche Unterversorgung besteht oder droht, regionale Zuschläge gezahlt werden können, sieht das TSVG künftig regionale Zuschläge verpflichtend vor, die vom Landesausschuss der Ärzte und den Krankenkassen ausgehandelt und festgesetzt werden.

Die KVen werden künftig verpflichtet, einen Strukturfonds zur Sicherung einer flächendeckenden Versorgung aufzulegen. Die in diesem Fonds hinterlegten Mittel verdoppeln sich von bisher 0,1 auf 0,2 Prozent der vereinbarten Gesamtvergütung. Die Verwendung der Fondsgelder wird zudem nicht mehr auf Investitionskosten für Neuniederlassung oder der Gründung von Zweigpraxen, auf Vergütungszuschläge und Zuschläge zur Ausbildung beziehungsweise die Vergabe von Stipendien beschränkt. Künftig können die Mittel auch für Investitionskosten bei Praxisübernahmen, zur Förderung von Eigeneinrichtungen der KVen oder lokale Gesundheitszentren für medizinische Grundversorgung eingesetzt werden. Die Liste kann überarbeitet und ergänzt werden. Die Gründung von Eigeneinrichtungen der KV sowie medizinischer Versorgungszentren soll erleichtert, die Bedarfsplanung in diesen Bereichen angepasst werden.

Weitere Regelungen des Gesetzes beschäftigen sich mit der Schaffung eines neuen Schiedsgremiums bei Konflikten zwischen Krankenkassen, Kassenärzten und Kliniken, mit neuen Regelungen  Zahnersatz - unter anderem soll der Festzuschuss von 50 auf 60 Prozent erhöht werden - und mit Neuerungen hinsichtlich der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) der Einführung einer elektronischen Patientenakte. Außerdem will der Gesetzgeber im Bereich der Kieferorthopädie eine Mehrkostenregelung einführen, wonach künftig Kieferorthopäden Mehrleistungen nach der Gebührenordnung für Zahnärzte privat mit dem Versicherten abrechnen können.

Stellungenahme des AOK-Bundesverbandes

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