Verträge zur molekularen Krebsdiagnostik für Kinder
(21.03.23) Künftig übernehmen 55 gesetzliche Krankenkassen in Deutschland die Kosten einer umfangreichen molekularen Krebsdiagnostik für krebskranke Kinder mit einem Rückfall oder einer Hochrisikoerkrankung. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) haben entsprechende Verträge mit neun AOKs (Bayern, Baden-Württemberg, Bremen/Bremerhaven, Hessen, Niedersachsen, Rheinland/Hamburg, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz/Saarland und Nordwest) sowie Betriebskrankenkassen abgeschlossen, die jetzt die Kosten für die Genomentschlüsselung des Tumors bei ihren Versicherten tragen. Die Analysen sind Teil des Programms INFORM, das vom Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ) koordiniert wird. Bislang wurde die molekulare Krebsdiagnostik für Kinder und Jugendliche allein durch Projektförderung und private Spenden ermöglicht.
Da sich Tumore bei Kindern deutlich von denen bei Erwachsenen unterscheiden und sich die relativ wenigen Fälle auf sehr viele unterschiedliche Tumorarten verteilen, arbeiten die Heidelberger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eng mit den Kinderonkologischen Zentren in Deutschland zusammen. Hierdurch wird die Expertise gebündelt und neue Therapieansätze können in Studien untersucht werden. Im Projekt wird zudem eine schnelle Analyse der Tumore – in durchschnittlich nur 28 Tagen – sichergestellt. Dies ist besonders wichtig, weil Tumore bei Kindern oft schneller wachsen und aggressiver sind als bei Erwachsenen.
„In dieser Situation geht es um Qualität und Schnelligkeit, die bei den INFORM-Analysen durch die Verbindung von hervorragender wissenschaftliche Expertise und langjähriger Erfahrung in der komplexen Analytik gewährleistet werden“, sagt Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. Die Schnelligkeit sei besonders wichtig, weil Tumore bei Kindern oft schneller wachsen und aggressiver sind als bei Erwachsenen. INFORM ist ein in Europa bislang einzigartiges Programm des KiTZ, des DKFZ und des UKHD, das seit dem Jahr 2015 molekulargenetische Krebsanalysen für Kinder und Jugendliche ermöglicht. Ärztinnen und Ärzte können die Tumorproben ihrer Patientinnen und Patienten nach Heidelberg schicken. Dort wird das Tumorgenom entschlüsselt und nach therapeutischen Angriffsstellen durchsucht.
„Durch die neuen Versorgungsverträge und die Kostenübernahme können krebskranke Kinder in Deutschland, die einen Rückfall erleiden, eine Krebsdiagnostik nach dem neuesten Stand der Technik erhalten“, freut sich Olaf Witt, Direktor am Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), Leiter der Klinischen Kooperationseinheit pädiatrische Onkologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und leitender Oberarzt am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD).
Neben den molekularen Tumoranalysen werden in INFORM zusätzliche Analyseverfahren entwickelt, wie beispielsweise die Prüfung von Medikamenten unter Laborbedingungen. Gewebeproben der jungen Patienten wachsen im Labor zu Minitumoren heran. An diesen Minitumoren werden dann etwa 80 Medikamente getestet, die klinisch verfügbar sind und daher unmittelbar zur Behandlung eingesetzt werden können. Insgesamt vier Wochen dauert es, bis alle INFORM-Daten für eine mögliche Therapieempfehlung vorliegen und durch ein interdisziplinäres Tumorboard mit Expertinnen und Experten aus der Kinderonkologie, Humangenetik, Bioinformatik, Molekularbiologie, (Neuro-)Pathologie und für klinischen Studien bewertet werden. Auch der behandelnde Arzt nimmt daran teil, um den betroffenen Familien anschließend eine Empfehlung geben zu können. In einigen Fällen führen die INFORM Ergebnisse u.a. auch zu einer Korrektur der Diagnose oder identifizieren erbliche Formen einer Krebserkrankung mit familiärem Risiko. Die Empfehlung kann beispielsweise die Teilnahme des Patienten an einer klinischen Studie sein. Wenn das nicht möglich ist, können auf Basis der Ergebnisse auch Einzelheilversuche als Behandlung in Frage kommen.
Seit dem Jahr 2015 wurden mehr als 2.500 krebskranke Kinder und Jugendliche von 100 Zentren aus 13 Ländern in das INFORM Programm aufgenommen. „Eine Weiterführung der INFORM-Leistungen wäre in dieser Form ohne die Kostenübernahme der beteiligten Krankenkassen nicht möglich gewesen“, sagt Witt. „Wir hoffen, dass sich weitere Kassen anschließen und ihren Versicherten ebenfalls die INFORM-Leistungen ermöglichen werden.“