Mit BGF besser durch die Krise

V. l n. r.: Werner Winter, Prof. Dr. Antje Ducki, Achim Brenneis, Christiane Koch, Michael Bernatek
Nach Monaten, in denen die meisten Menschen in Deutschland geglaubt haben, dass die Pandemie überwunden sei, schlägt das Corona-Virus jetzt mit voller Kraft wieder zu. Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt immer weiter. Die Intensivstationen der Kliniken füllen sich erneut mit Covid-Erkrankten, in Pflegeheimen gibt es wieder Corona-Ausbrüche und die Politik diskutiert über eine Impfpflicht fürs Pflegepersonal.
In der Pflege ist die Belastungsgrenze aber längst überschritten. Davon berichten immer mehr professionell Pflegende, die sich Tag für Tag um hilfsbedürftige und kranke Menschen kümmern. Viele sind wütend. Wütend über die Situation in den Einrichtungen, über die menschliche Unvernunft, über die Entscheidungen der Politik, über fehlende Anerkennung und mangelnden Respekt.
Doch wie gelingt es, den Pflegeberuf attraktiver zu machen und die Arbeitsbedingungen so zu verbessern, dass Menschen wieder gern und lange diesen gesellschaftlich wichtigen Beruf ausüben? Welche Faktoren hierbei eine Rolle spielen und welche Lösungsansätze die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) bietet, darüber haben Dr. Antje Ducki, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Berliner Hochschule für Technik, Achim Brenneis, Geschäftsführer der Katholischen Stiftung Marienhospital in Aachen, Christiane Koch, Pflegedienstleiterin der Caritassozialstation Göttingen-Gleichen, und Werner Winter, BGF-Experte im AOK-Bundesverband, bei der Veranstaltung "Pflege. Kräfte. Stärken. Mit BGF besser durch die Krise" des AOK-Bundesverbandes im Rahmen des Deutschen Pflegetags 2021 diskutiert.
Überlastung und Stress sind die größten Belastungsfaktoren

Quelle: AOK-Bundesverband
Ein weiteres großes Problem: Seit Ausbruch der Pandemie denken deutlich mehr Pflegekräfte darüber nach, dem Pflegeberuf den Rücken zu kehren. Eine aktuelle bundesweite Umfrage des AOK-Bundesverbandes unter 500 Führungskräften in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern zeigt, dass fast jede fünfte Leitungskraft in der Pflege seit Corona sich beruflich verändern möchte. Mehr als die Hälfte davon denkt darüber nach, ganz aus dem Pflegebereich auszusteigen. Käme es dazu, wäre das ein herber Verlust für die Pflege und ganz Deutschland, erklärte Werner Winter bei der Podiumsdiskussion. Als Hauptgrund, warum sie aus der Pflege aussteigen wollen, nannten die meisten Befragten (45 Prozent) Überlastung und Stress.
Dass Zeitdruck und Arbeitsverdichtung in der Pflege zugenommen haben, bestätigten auch die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Diskussionsrunde, die Michael Bernatek vom AOK-Bundesverband moderierte. Insgesamt also eine fatale Entwicklung, die es schnellstmöglich zu stoppen gilt. Darüber sind sich alle politischen Akteure in Deutschland einig.
Bessere Arbeitsorganisation kann Abhilfe schaffen
Professionell Pflegenden eine neue Perspektive geben – an dieser schwierigen Aufgabe sind schon viele Gesundheitspolitiker gescheitert. Allerdings gibt es einige Stellschrauben, an denen sich auf Einrichtungsebene mithilfe von BGF drehen lässt. Nach Ansicht der Diskutanten zählen dazu beispielsweise eine bessere Arbeitsorganisation, zugewandte Führungskräfte oder ein abgestimmtes Zusammenspiel von Professionen, die an der Versorgung von pflegebedürftigen und kranken Menschen beteiligt sind.
Kleine Ansätze haben oft große Wirkung
Ob verlässliche Dienstpläne, regelmäßige Teamgespräche oder moderierte Workshops zur gesunden Arbeitsgestaltung – es gibt viele Möglichkeiten, Herausforderungen im Pflegealltag anzugehen. Worin sich alle Diskussionsteilnehmenden einig waren – es genügen oft schon kleine Ansätze, um die Situation der Pflegekräfte zu verbessern.
Die AOK bietet Pflegebranche Unterstützung
In jeder Pflegeinrichtung, jedem ambulanten Pflegedienst und jedem Krankenhaus ist die Situation eine andere. Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Herausforderungen, die die Einrichtungen meistern müssen. Um sie dabei zielgenau und individuell zu unterstützen, hält die AOK einen bunten Strauß an Angeboten zur Betrieblichen Gesundheitsförderung bereit. Sie reichen von Beratung über Analyse bis zur Erfolgsmessung, von analog über hybrid bis digital.
AOK-Angebote für die Pflegebranche
- CARE4CARE
Im Fokus des Forschungsprojekts steht die Entwicklung eines hybriden Angebots zur Gesundheitsförderung in der beruflichen Pflege, von dem sowohl die Beschäftigten als auch die Einrichtungen als Ganzes profitieren. Ziel ist es, den professionell Pflegenden gesundes Arbeiten zu ermöglichen und sie dabei zu unterstützen, die eigenen Ressourcen zu stärken.
Konzipiert ist das Programm für Krankenhäuser, ambulante und stationäre Pflegeunternehmen. Derzeit wird CARE4CARE in Kooperation mit dem AOK-Bundesverband in drei Regionen erprobt. Ab 2022 soll das Angebot Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen bundesweit zur Verfügung stehen. Forschungspartnerinnen sind Berliner Hochschule für Technik, Helmut-Schmidt Universität Hamburg, Leuphana Universität Lüneburg, Technische Hochschule Lübeck.
- Fit für die Pflegeschicht
Beim speziellen Gesundheitstraining für beruflich Pflegende im Schichtdienst liegen die Schwerpunkte auf Themen wie Stress, Schlaf, Entspannung und körperliche Aktivitäten. Ziel des Trainings es, Pflegenden Hilfestellungen zu geben, wie sie trotz wechselnder Schichten gesund und fit bleiben. Pflegekräfte können das Training digital, hybrid oder vor Ort absolvieren.
- Haus der wertschätzenden Pflege
Der Workshop dient als Erstinformation und/oder Einstieg ins Betriebliche Gesundheitsmanagement in Pflegeinrichtungen und Krankenhäusern. Er richtet sich an Führungskräfte, an Einrichtungs-, Wohnbereichs- und Pflegedienstleitungen, an Mitarbeitervertretungen sowie Verwaltung. Der Workshop gibt ihnen einen Überblick darüber, wie sich die Gesundheit der Beschäftigten mit konkreten Maßnahmen verbessern lässt und was ein Betriebliches Gesundheitsmanagement für Beschäftigte leisten kann.
- Pflege-Mediathek
Die digitale Lernplattform bietet fertige multimediale Schulungen rund um die Themen Pflege, Prävention und Betriebliche Gesundheitsförderung. Speziell für die Führungskräfte hält die Pflege-Mediathek Lerninhalte bereit, die ihnen beim Aufbau und der Implementierung gesundheitsfördernder Strukturen helfen. Inzwischen nutzen bundesweit über 3.000 Einrichtungen die professionell aufbereiteten Inhalte für interne Fortbildungen und E-Learnings.
- Qualitätsorientierte Prävention und Gesundheitsförderung in Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Pflege
Sechs Checklisten helfen Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Pflege dabei, Strategien zu entwickeln, die Gesundheit, Gesundheitskompetenz und Lebensqualität von Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Beschäftigten verbessern können. Die Checklisten sind das Ergebnis des Forschungsförderprojekt "Qualitätsorientierte Prävention und Gesundheitsförderung in Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Pflege", kurz QualiPEP, das der AOK-Bundesverband im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zwischen 2017 und 2021 umgesetzt hat.